Patrick Tirler

Willkommen auf meiner Seite! Ich freue mich, hier einige meiner Erlebnisse zu teilen. Viel Spass!

AVS Alpiner Förderpreis 2023

Die Laudatio von Hanspeter Eisendle zur Verleihung des Alpinen Förderpreis 2023 am 06.05.2023 an Moritz Sigmund und mir im Vinzentinum in Brixen.

Lieber Patrick, Lieber Moritz,

wenn ihr am heutigen Tag im Schaufenster des Südtiroler Alpenvereins steht, dann hat das auch etwas mit Alchemie zu tun. Alchemie war im Mittelalter der Versuch aus unedlen Metallen edle zu machen, im besten Falle Gold.
Auf Felsen oder auf Berge zu klettern ist an und für sich eine ziemlich banale Tätigkeit und wird gleich von mehreren Tierarten unerreichbar besser beherrscht als von uns Menschen, auch wenn meine Beobachtungen von euch beiden in der Kletterhalle Zweifel an dieser Tatsache aufkommen ließen.

Die wichtigsten Substanzen in der Alchemie menschlichen Kletterns sind neben dem Können die Angst, die Zweifel und das Gefühl des ausgesetzt Seins. Nur jene Kletterer, die es verstehen durch spartanischen Materialeinsatz diesen zutiefst menschlichen Gefühlen großen Platz einzuräumen, machen aus der Banalität des Kletterns wichtige menschliche Erfahrungen und aus dem Klettern eine Kunst.

Beim Durchstöbern eurer beider Tourenberichte bin ich nicht nur auf eine beeindruckende Liste schwierigster Sportklettereien und hochwertiger Alpinrouten gestoßen, sondern auch auf die Namen anderer Kletterpartner und Klettererinnen, die mit euch zusammen das Who`s Who der neuen Südtiroler Alpinkletterszene darstellen: Alex Walpoth, Elisabeth Lardschneider, Moritz Plattner, Martin Dejori, Titus Prinoth, unvergessen Alex Pfattner aus Klausen…. um nur einige wenige zu nennen. Auch eine eurer früheren Trainerinnen, Alexandra Ladurner habe ich in sehr ernsthaften Alpinrouten wahrgenommen. Man kann also objektiv feststellen, dass die junge Elite von Alpin- und Abenteuer-Kletter/Innen ursprünglich fast zu 100% aus der Südtiroler Wettkampfszene kommt.

Und genau an dieser Stelle ist es notwendig eine große persönliche Fehleinschätzung aus dem Jahr 1999 zu benennen und zurückzunehmen. In diesem Jahr wurde nämlich, federführend durch Andi Sanin, Lukas Goller und Karlheinz Messner im Alpenverein ein Sportverein (ASK) gegründet. Meine Befürchtung war damals, dass das hipe urbane, abgesicherte und reglementierte Klettern die Kultur des alpinistischen Abenteuerkletterns total verdrängen würde und dass zukünftig die mit Bohrhaken abgesicherte Route wie selbstverständlich ins Gebirge übertragen würde. Ich hatte auch triftige Gründe für diese Annhame. Als die schwierigsten Alpenrouten galten in den 90er Jahren „Silbergeier“ von Beat Kammerlander, „des Kaisers neue Kleider“ von Stefan Glowacz und „End of silence“ der Huber-Brüder, alle drei 1994 im damaligen High-End-Schwierigkeitsbereich erstbegangen, zweifellos große Kunstwerke ihrer Zeit, aber ausschließlich mit Bohrhaken abgesichert, während beispielsweise die vogelwilden Dolomitenrouten eines Adam Holzknecht und eines Roland Mittersteiner nur von Insidern wahrgenommen wurden. Die sogenannte „Trilogie“, so wurden die drei Routen medienwirksam genannt, hatte schon in Vor-Instagram-Zeiten Influencer-Wert. Daraus zu schließen, dass sich in Zukunft auch Kletterrouten niedriger Schwierigkeitsgarde, vor allem aber die alpinen Klassiker, mit vorgefertigter Infrastruktur durchsetzen könnten, war also nicht ganz abwegig.

Aber ihr beide, lieber Moritz und lieber Patrick, seid zusammen mit euresgleichen der lebendigste Beiweis dafür, dass ich mit meiner Befürchtung total falsch lag. Das Gegenteil ist der Fall! Der Stil eurer Erstbegehungen und Wiederholungen bedeutender Klassiker ist Ausdruck dafür, dass jede Generation ihren Alpinismus neu erfinden kann, wenn sie bereit ist, den wichtigsten Bestandteil des Abenteuers zu erhalten!

Der wichtigste Bestandteil ist nämlich das menschliche Gefühl des ausgesetzt Seins.
Bei unserem Spiel, dem Bergsteigen, gibt es drei Räder, die wir nach oben und nach unten drehen können.
Das 1. Rad ist der reine Schwierigkeitsgrad (10 ist schwieriger als 3),
das 2. Rad ist die Meereshöhe (auf 4000 oder 8000 ist alles schwieriger als auf 2000) und
das 3. und allerwichtigste Rad ist die Exposition (die Fähigkeit, sich ungefiltert den Bedingungen einer Wand oder eines Berges auszusetzen).

Diese Fähigkeit kann man am längsten für sich erhalten, – das kann ich euch als ein in die Jahre gekommener Wilder sagen. Beim Steigern der persönlichen Schwierigkeitsgrenze ist am schnellsten Schluss, die große Meereshöhe ist aus medizinisch-physiologischen Gründen ab einem gewissen Alter sehr gefährlich, – für jeden menschlichen Körper zu gefährlich. Was bleibt, – was lange bleibt, ist die Exposition!

Wer bespielsweise allein durch irgendeine Wand steigt, in der niemand anderer ist und wobei weder vorher noch nacher jemand davon weiß, der oder die kostet genau das aus, was ich Exposition nenne. Dabei ist ausschließlich das eigene Können das Maß der Dinge. Diese Fähigkeit wird euch am längsten bleiben, wenn ihr den Bergen weiterhin mit derselben Haltung begegnet, die euch auf eurem bisherigen Weg zugewachsen ist.

Bis dahin habt ihr noch viel Zeit!
Bleibt mir, euch für eure Zukunft immer sichere Standplätze zu wünschen und zwischen diesen Standplätzen viel von jenem alchemistischen Zauber, der eure Lebenszeit veredeln wird.

Herzlichen Glückwunsch zum Anerkennungspreis des AVS und besten Dank für eure aktiven Beiträge zur alpinistischen Kultur!

Hanspeter Eisendle

Foto: Alpenverein Südtirol

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

Antworten

© 2024 Patrick Tirler