Marmolada Südwand – 17.08.2020 – mit Filip Schenk
Freitag 16:00 Uhr. Wir trafen uns in St. Christina und fuhren zum Fedaiapass. Dort versteckten wir ein Fahrrad zwischen den Latschen und fuhren dann weiter nach Malga Ciapela. Bei der Talstation der Seilbahn parkten wir und gingen in Richtung Marmolada Südwand. Bei der Falierhütte kehrten wir kurz zu, um etwas zu trinken. Überrascht von der Unfreundlichkeit der Wirtin hielten wir uns dort nicht lange auf und gingen weiter. Unser Ziel war das Biwak am Ombrettapass. Als wir jedoch bemerkten, dass sich das Biwak weit ober den Einstieg befindet, entschlossen wir uns auf den Wiesen unter der Südwand zu schlafen. Unter einem Steinblock fanden wir einen geraden und geschützten Platz. Dort verspeisten wir unseren Nudelsalat und studierten das Topo.
Die Nacht war extrem kalt und ich hatte nur einen sehr dünnen Schlafsack mit. Den Biwaksack und eine Isomatte hatte ich aus Gewichts-/ und Platzgründen zuhause gelassen, denn ich rechnete damit, im Biwak zu schlafen. Voll bekleidet und mit kalten Zehen überstand ich jedoch die Nacht, ohne wirklich geschlafen zu haben und freute mich, als um 3:45 der Wecker klingelte. Beim Zustieg zur Wand wurde mir wieder ein wenig warm, auch wenn es für die Jahreszeit sehr kalt war. Am Einstieg hatte ich von den 2,5 Litern Wasser, die ich mitnahm, noch 2 Liter übrig, sodass ich einen Liter ausleerte, um den Rucksack ein wenig zu erleichtern.
5:00 Uhr. Noch im Dunkeln startete ich mit eiskalten Fingern in den Kamin der ersten Seillänge. Nach einem kurzen Umweg in der zweiten und dritten Seillänge ging es problemlos weiter. Die Stirnlampen haben wir inzwischen schon in den Rucksack gepackt, denn es war bereits hell. Der Himmel war jedoch bewölkt und die Sonne zeigte sich nie. So war es deutlich kälter als erwartet und wir waren froh, um jede Jacke die wir mithatten. Ohne größere Probleme erreichten wir gegen 11 Uhr das Band in der Mitte der Wand, wo wir zum ersten Mal einen Riegel aßen und etwas tranken. Vom Band weg startet nun der Messner-Direktausstieg, bei einem etwas brüchig erscheinendem Dach, das überwunden werden muss. Von dort führen einige leichte Seillängen, die wir mithilfe einer Microtraxion zusammenhingen, zu den bekannten Platten. Nach 5 Seillängen im zweiten Teil holten wir eine italienische Dreierseilschaft ein, die Schwierigkeiten bei der Seillänge nach der zweiten Nische hatte. Nach längerem Warten durften wir sie überholen und hingen ihnen ein Seil zum Stand. Die sichtlich entspannten Italiener rauchten inzwischen einen Joint.
Von dort führt eine mit 6- bewertete Länge leicht schräg nach rechts zu einem Stand an einer Sanduhr. Erst am nächsten Tag erfuhren wir, dass der richtige Stand weitere 20m weiter rechts gewesen wäre und uns viele Probleme in den nächsten Stunden erspart hätte. Doch alles stimmte mit dem Topo überein und so kletterten wir weiter nach oben. Auch der nächste Stand unter einer überhängenden gelben Wand war schon eingerichtet. Die nächste Seillänge sollte mit 7- die Schlüssellänge sein und mit zahlreichen Nägel abgesichert sein. Doch die Wand über uns war deutlich schwieriger und wir sahen nur einzelne Haken mit Karabinern, die darauf hindeuteten, dass hier abgeseilt wurde. Wir verbrachten lange damit, die gesamte Wand links und rechts davon abzusuchen, doch bis auf ein paar Verhauernägel fanden wir nichts. Unsere Sicht war im Nebel stark eingeschränkt und ich machte mir ernsthafte Sorgen, ob wir es heute noch auf den Gipfel schaffen. Schließlich querten wir weit nach links, wo ich einige Nägel fand und das Gelände etwas leichter war. Ich folgte einen Riss und schaffte es einen Stand nach dem anderen zu bauen, bis ich schließlich zu einem eingerichteten Stand kam. Filip hat den Vorstieg inzwischen mir überlassen und auch die Italiener orientierten sich an uns. Ich folgte meinem Instinkt und kletterte im Nebel nach oben. Immer wieder fand ich einige Nägel oder gefädelte Sanduhren, die mir bestätigten, dass ich hier nicht der erste bin. Die Kletterei war äußerst schwierig und ich hoffte stark, nicht wieder in eine Sackgasse zu landen. Lange zwingende Runouts im brüchigen Fels ließen mich zweifeln. Doch mir gelang es immer wieder einen Weg zu finden und so erreichte ich einen homogenen Riss, der durch die steile Headwall zum Gipfel zu führen schien. Nach einem weiteren ungemütlichen Hängestand wurde die Wand endlich flacher und plötzlich stand ich direkt am Gipfel. Froh es geschafft zu haben, gratulierten wir uns und gönnten uns eine kurze Pause. Nach 14,5 Stunden in der Wand war es nun bereits 19:30.
Ohne viel Zeit zu verlieren, folgten wir dem Grat zur Seilbahnstation. Ein eisiger Wind pfiff uns um die Ohren. Wir hängten uns ans Seil und rannten die Skipiste entlang, bis sich der Nebel lockerte. Da wir das Fahrrad am westlichen Stausee versteckt hatten, mussten wir noch den Gletscher queren und so kamen wir nach eineinhalb Stunden am Parkplatz an. Filip startete mit dem Rad ins Tal und kehrte nach 45 Minuten mit dem Auto zurück. Müde und durchgefroren freute ich mich auf Zuhause und war froh, meine ersten Erfahrungen in der Marmolada Südwand gemacht zu haben.